Nach zwei Jahrzehnten kehrt der österreichische Künstler und Filmemacher Josef Dabernig in den Grazer Kunstverein zurück. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Österreich-Premiere seines neuesten Films Lacrimosa (2024), der Begräbniszeremonien in der Mansarde einer gespenstischen Villa inszeniert. Im Film versammelt eine ältere Tante ihre Urgroßnichten– und Neffen zum Trauergebet um einen Kindersarg. Gefaltete Hände, verstohlene Blicke, Rosenkränze und ein Leibstuhl sind die Elemente eines exzentrischen Kinderspiels, in dem die illustre Gruppe zwischen Einschüchterung, Rebellion und einer gefährlichen Treppe über Seinsfragen stolpert.

Lacrimosa bildet den Rahmen für einen Rückblick auf Dabernigs Bewegtbild-Œuvre, gefiltert durch die Motive von Tod, Trauer und Elegie. Das Verhältnis von Film und Szenografie ist als erweiterte Form der Skulptur konzipiert, als ein Konzentrat im Zusammenspiel von Artefakt, Häuslichkeit und Verlust.

JOSEF DABERNIG (geb. in Kötschach-Mauthen, Österreich) lebt als Künstler und Filmemacher in Wien. Zu seinen jüngsten Einzelausstellungen gehören Lancia Thema, The Black Box, Wschód, New York, USA (2023); Wisla, Museum Jorn, Silkeborg, Dänemark (2023); und Equally Not Nothing, Galerie Stadtpark, Krems, Österreich (2020). Dabernigs Arbeiten waren Teil der 49. und 50. Biennale in Venedig in den Jahren 2001 und 2003, der Manifesta 3 (2000, Ljubljana) und 10 (2014, St. Petersburg), sowie der 9. Gwangju Biennale (2012). Seine Filme wurden auf verschiedenen internationalen Filmfestivals gezeigt, darunter die Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen, das Internationale Film Festival Rotterdam, Locarno Film Festival, Internationale Filmfestspiele von Venedig, Mar del Plata International Film Festival, Melbourne International Film Festival und das Toronto International Film Festival. Im Jahr 2004 präsentierte Dabernig seine Ausstellung  Josef Dabernig: Proposal for a New Kunsthaus, not further developed im Grazer Kunstverein, die von einer gleichnamigen Publikation begleitet wurde.

Eine Kooperation mit dem steirischen herbst ’24

Josef Dabernig, Lacrimosa, Standbild, 2024.

Du schriebst: Der Titel seiner Ausstellung ist die Sammlung von Bildern, die sie begleitet. Drei Bilder eines roten Auges, nebeneinander.

Du sagtest, dass das erste Bild, eine rote Form vor einem grauen Hintergrund, vertraut wirkte, sich aber einer Identifikation widersetzte. Du sagtest mir, dass es dich an ein Auge erinnert, wachsam und aufmerksam, verwoben mit der Schärfe eines Zeigers, verweisend.

Du schriebst: Dieses Bild ist wie eine halbe Erinnerung, hinter einem Schleier, Details abgemildert, eine Einladung, über seine Geheimnisse nachzudenken

Im zweiten Bild, sagtest du mir, erscheinen ähnliche Formen. Das Auge und der Pfeil verschmelzen in ihrem rätselhaften Sog, zentriert auf dem Bildschirm, Details an den Rändern verwischt, als wäre die Linse verschmiert. Du fragtest dich, ob es sich um einen Zwilling des ersten Stücks handelt und ob dies darauf hindeutet, dass Klarheit nicht immer notwendig für das Verständnis ist. Ist diese Bewegung eine Anregung, ein sanfter Stups in Richtung Bedeutung?

Du schriebst: Die Qualität dieser Bilder wird dich zu einem mysteriösen Tanz hinziehen.

Das dritte Bild, sagtest du, wird mit kühner Klarheit dastehen, sobald die Unschärfe größtenteils aufgehoben ist, um das Design zu enthüllen. Die roten Linien werden sich scharf von einem bräunlich-weißen Hintergrund abheben, die Form des Auges wird deutlich sein, der Schwung des Cursors selbstbewusst und unerschütterlich. Du sagtest, du wirst wollen, dass das Bild mit klarer Stimme spricht, da seine Symbolik unverkennbar wird: die Verschmelzung von Vision und Richtung, Wahrnehmung und Zweck.

Du schriebst: Dieses Bild wird herauskristallisieren, was die anderen angedeutet haben.

Diese drei Bilder, wie seine gesamte Ausstellung, benutzten keine Worte. Du schriebst, dass die Bilder selbst Sprache erzeugten. Dass sie als Vorahnung von etwas noch nicht Realisiertem dienten. Du sagtest, du hättest Lieder von Grün und Gelb und Silber gehört und den Geruch von Kampfer gerochen. Und in dieser Abwesenheit von Worten versuchten wir, Bilder sprechen zu lassen.


Die Ausstellung wird von Tom Engels kuratiert und von einer Publikation begleitet, die von Jason Dodge, Julie Peeters und Tom Engels entwickelt wurde.

Anlässlich der Ausstellung sowie der gemeinsamen Eröffnungen in der Halle für Kunst Steiermark und der Neuen Galerie Graz wird ein Shuttlebus von und nach Wien zur Verfügung gestellt.

Abfahrt Wien: 14:00 Uhr, Operngasse 4, Buszone, Wiener Staatsoper
Rückfahrt: 22:00 Uhr, Burgring 2, Halle für Kunst Steiermark

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail an office@grazerkunstverein.org.


JASON DODGE präsentierte kürzlich die Einzelausstellungen Tomorrow, I Walked to a Dark Black Star, MUDAM, Luxemburg (2024); Cut a Door in the Wolf, MACRO, Rom (2021); und They Lifted Me into the Sun and Packed My Empty Skull in Cinnamon, eine sechsteilige Ausstellung im Akwa Ibom, Athen; Guimarães, Wien; MOREpublishers mit Gevaert Editions, Brüssel; Galleria Franco Noero, Turin; und Gern en Regalia, New York (2020). Im Jahr 2014 kuratierte er im Grazer Kunstverein Ronald Jones: 1987-1992 in Zusammenarbeit mit Krist Gruijthuijsen, dem damaligen künstlerischen Leiter des Vereins, die von der Publikation Ronald Jones, herausgegeben vom Grazer Kunstverein und Motto Books, begleitet wurde. Dodge gründete den Lyrik-Imprint fivehundred places, den er auch weiterhin betreibt, und lebt auf der Insel Møn in Dänemark.

Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com
Jason Dodge, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und Galleria Franco Noero, Torino. Foto: kunst-dokumentation.com

Curtis Cuffie’s New York City ist eine Ausstellung von Fotografien der öffentlichen Kunst von Curtis Cuffie. 

Curtis Cuffie war bis zu seinem Tod im Jahr 2002 im Alter von siebenundvierzig Jahren eine öffentliche Figur im East Village. Bis zu seinem Lebensende veröffentlichte  Cuffie Hunderte, vielleicht Tausende von mysteriösen, unwahrscheinlichen Kunstwerken in den Straßen von New York. Dazu fischte er aus den Überresten der Stadt und kleidete sie in tobende Assemblagen aus weggeworfenen Gegenständen, Stoffen und gewöhnlichen Dingen, die von dem erzählen, was wir sind. Diese Arbeiten hatten kaum ein Ende: Dinge kamen und gingen, Materialien wurden angepasst und verändert, und regelmäßig wurden Werke von der Straßenreinigung und der Polizei zerstört. Wenig davon hat überlebt. Folglich ist die Betrachtung von Cuffies Skulpturen heute in der Regel eine Begegnung aus zweiter Hand, gefiltert durch die Perspektiven derjenigen, die sie fotografiert haben, seien es Freund*innen oder Geliebte, Künstler*innen oder unbekannte Passant*innen. 

Curtis Cuffie’s New York City präsentiert die Kunst von Curtis Cuffie, wie sie von Katy Abel, Tom Warren und Cuffie selbst fotografiert wurde. Die Ausstellung umfasst etwa siebenhundert Fotografien aus den 1990er Jahren und wird durch eine Reihe von analogen Diaprojektoren zum Leben erweckt, die drei verschiedene Bildsprachen präsentieren: Abels Verwendung leuchtender Farben, Warrens nüchterne, fast reportageartige Schwarz-Weiß-Bilder und Cuffies eigene dynamische, abstrakte und manchmal zerrüttete Fotokompositionen. Diese Bilder, die auftauchen und wieder verschwinden, erzeugen ein spürbares Gefühl von Bewegung und Vergänglichkeit, das dem Wesen von Cuffies Kunst und der Stadt entspricht, in der sie sich befand.

Zu Curtis Cuffie’s New York City erscheint eine gleichnamige Publikation mit einer Auswahl von Cuffies Farb- und Schwarz-Weiß-Fotografien, herausgegeben von Tom Engels und gestaltet von Julie Peeters. 

Curtis Cuffie’s New York City wird von Tom Engels in Zusammenarbeit mit Robert Snowden kuratiert. Die Ausstellung wird durch die unschätzbare Unterstützung von Carol Thompson ermöglicht, die das Archiv von Curtis Cuffie pflegt, zusammen mit den großzügigen Beiträgen von Katy Abel und Tom Warren.

CURTIS CUFFIE (1955-2002) war ein Künstler, der im East Village von New York City lebte. Er stammte ursprünglich aus Hartsville, South Carolina, zog mit fünfzehn Jahren nach Brooklyn und ließ sich schließlich in Manhattan nieder, zunächst in der Nähe des Bryant Park und später in der Bowery, wo er über weite Strecken seines Lebens wohnungslos lebte. Artforum, The New York Times und The Village Voice berichteten über seine Arbeit und er hatte Einzelausstellungen im Flamingo East, Tribes und in der 4th Street Photo Gallery, alle in New York. Im Laufe seines Lebens war Cuffie in fast einem Dutzend Gruppenausstellungen in den USA vertreten, unter anderem bei Exit Art, American Primitive und im Jamaica Art Center in New York sowie im American Visionary Art Museum in Baltimore. Cuffie war Teil eines dynamischen Kreises von Künstler*innen und Intellektuellen und besaß somit einen wesentlichen Platz in der schwarzen Avantgarde New Yorks. Kürzlich wurde sein Werk in Ausstellungen in ganz New York City präsentiert, darunter Souls Grown Diaspora (2020) im Apexart, kuratiert von Sam Gordon; Greater New York (2021) im MoMA PS1, kuratiert von Ruba Katrib; und Curtis Cuffie (2023) in der Galerie Buchholz, kuratiert von Scott Portnoy. Darüber hinaus veröffentlichte Blank Forms 2023 Curtis Cuffie, ein von Scott Portnoy, Robert Snowden und Ciarán Finlayson herausgegebenes und von Julie Peeters gestaltetes Buch.

Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996. Farbfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und der Galerie Buchholz.
Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996. Farbfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und der Galerie Buchholz.
Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996. Farbfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und der Galerie Buchholz.
Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999. Schwarzweißfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz.
Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999. Schwarzweißfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz.
Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999. Schwarzweißfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz.
Tom Warren, ohne Titel, ca. 1992-1997. Schwarzweißfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Tom Warren und Galerie Buchholz.
Tom Warren, ohne Titel, ca. 1992-1997. Schwarzweißfotografie. Mit freundlicher Genehmigung von Tom Warren und Galerie Buchholz.
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson, Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson, Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson, Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson, Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson, Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson, Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Katy Abel, ohne Titel, ca. 1994-1996, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Katy Abel und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Tom Warren, ohne Titel, ca. 1992-1997, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Tom Warren und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Tom Warren, ohne Titel, ca. 1992-1997, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Tom Warren und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com
Installationsansicht von Curtis Cuffie, ohne Titel, ca. 1990-1999, im Rahmen von Curtis Cuffie’s New York City, Grazer Kunstverein, 2024. Mit freundlicher Genehmigung von Carol Thompson und Galerie Buchholz. Foto: kunstdokumentation.com

The Weight of the Concrete markiert die erste monografische Ausstellung von Ezio Gribaudo (Turin, 1929-2022) in Österreich. Sie dient als umfassende Hommage an seine facettenreiche Karriere und bietet eine ausgedehnte Erkundung seiner Rolle sowohl als Künstler als auch als Verleger. Die Ausstellung entlehnt ihren Namen von Il Peso del Concreto (1968), einem wegweisenden Buch, das Gribaudos frühe grafische Arbeiten zusammen mit einer Anthologie konkreter Poesie, herausgegeben von dem Dichter Adriano Spatola, präsentierte. Im Einklang mit seinem interdisziplinären Ansatz erforscht diese Ausstellung Gribaudos eigenwilliges Œuvre, seine Poetik der Materie und die komplexe Beziehung, die er zwischen Bild und Sprache entwickelte. Gribaudos Werk wird dann  durch eine Szenografie, entworfen vom italienischen Künstler Davide Stucchi, in die Gegenwart getragen. Die Ausstellung wird von Tom Engels und Lilou Vidal kuratiert.

Im Zentrum von The Weight of the Concrete stehen die Logogrifi, Gribaudos emblematische Serie, die er ab den 1960er Jahren entwickelte. Sein ganzes Leben lang artikulierten die Logogrifi eine tiefe Verstrickung mit seinen Aktivitäten als Buchmacher sowie seine Faszination für neue industrielle Druckverfahren, Schriftarten, Sprachspiele und Reliefmatrizen. Verankert in sprachlichen oder visuellen Rätseln, ähneln die Logogrifi Logogriphen oder Puzzles, die die Bildung neuer Wörter durch Umstellung ihres Anfangsbuchstabens beinhalten. In Gribaudos Interpretation oszilliert ein Logogrifo zwischen Lesbarkeit und Abstraktion, tendiert einmal zu lesbaren Formen und ein anderes Mal zur rätselhaften Welt, in der Bild und Sprache verschmelzen.

The Weight of the Concrete erkundet Gribaudos eigenständiges poetisches Repertoire von Formen – textliche, figurative und topografische Elemente umfassend, jedoch stets losgelöst von ihrer Herkunft – das das Aufkommen einer neuen Grammatik und folglich neuer Lesarten ankündigt. Beginnend mit achromatischen Prägungen auf Löschpapier, die sich zu Holz- und Polystyrol-Reliefs verwandeln und schließlich in lebhaft chromatische Stücke mit typografischer Tinte gipfeln, hinterfragen die Werke beständig die Art und Weise, wie Form, Sprache und Materie einander weiterhin formen und neu definieren. Diese Transformation fordert nicht nur traditionelle Lesarten und Wahrnehmungen heraus, sondern verlangsamt und intensiviert auch schrittweise die Erfahrung des Betrachters, die von einer Übung im Entziffern der achromatischen Natur der Seite zu einer lebhaften und farbenfrohen Begegnung übergeht. Dieses unermüdliche Experiment mit Drucktechnologien wurde durch seine Hingabe an die Veröffentlichung von Künstler-Monografien angefacht, darunter Zeitgenossen wie Giorgio de Chirico, Jean Dubuffet, Marcel Duchamp, Francis Bacon, Lucio Fontana, Asger Jorn und Wifredo Lam, sowie sein Interesse an populären Druckformaten wie Zeitungen, Wörterbüchern, Atlanten und Kinderbüchern. Um diese nicht-hierarchische Beziehung zwischen seiner künstlerischen Arbeit und seinen Verlagsaktivitäten zu betonen, präsentiert das letzte Kapitel der Ausstellung eine einzigartige Auswahl von Gribaudos seltenen Veröffentlichungen und Archivmaterialien.

The Weight of the Concrete versammelt diese grafischen und poetischen Operationen mit der Unterstützung von Davide Stucchis spontanen Gesten und konzeptuellen Antworten. Ausgehend von Stucchis langjähriger Praxis, Ready-Made-Objekte und industriell gefertigte Materialien zu verwenden, spiegelt seine Szenografie eine gegenseitige Faszination für die industrielle Reproduktion und Umnutzung standardisierter Materialien wider. An der Schnittstelle von bildender Kunst, Design, Mode und Szenografie spiegeln Stucchis Interventionen das interdisziplinäre Werk von Gribaudo wider und erweitern es.

The Weight of the Concrete wird durch zwei gleichnamige Veröffentlichungen ergänzt. Die erste, die parallel zur Eröffnung im Grazer Kunstverein erscheinen wird, zeigt fotografische Ausschnitte aus Gribaudos achromatisch geprägten Logogrifi-Büchern (1965-1972), einzigartig ergänzt durch eine Intervention von Stucchi. Die zweite Publikation spiegelt die redaktionelle Prämisse von Gribaudos und Spatolas Il Peso del Concreto (1968) wider. Sie greift diese Publikation und das Archiv seiner Entstehung auf und konzipiert sie neu, indem sie Gribaudos grafisches Werk mit einer neuen Auswahl an historischer und zeitgenössischer konkreter und experimenteller Poesie verbindet. Sie wird zudem Essays enthalten, die das Zusammenspiel von Sprache, Materie und ihren poetischen Verbindungen erläutern. Herausgegeben von Axis Axis und Grazer Kunstverein, ist sie für den Sommer 2024 geplant.

The Weight of the Concrete wird auch ein Klangprogramm beinhalten, The Weight of the Tongue, das als spekulatives Präludium zur bevorstehenden Veröffentlichung dient. Fokussiert auf die Vokalisierung experimenteller Poesie, wird das Programm die Stimmen von Tomaso Binga, CAConrad, Susan Howe und David Grubbs, Hanne Lippard und Patrizia Vicinelli zusammenführen. Zusätzlich werden Katalin Ladik, Bryana Fritz und Nat Marcus zum Programm beitragen und ihre Arbeiten bei der Eröffnung der Ausstellung aufführen.

Ein zusätzliches öffentliches Programm, das Anfang 2024 stattfinden wird, vertieft sich in die intrinsische Beziehung zwischen konkreter Poesie, Verlagswesen, Grafikdesign, Schriftart, Feminismus und performativen Praktiken. Zu den Beitragenden dieses Programms gehören Mónica de la Torre, Alex Balgiu, Andrea di Serego Alighieri und andere.

Das öffentliche Programm und die Veröffentlichungen werden von Tom Engels und Lilou Vidal kuratiert und herausgegeben.

EZIO GRIBAUDO (1929-2022, Italien) war ein Künstler und Kunstverleger, der in Turin ansässig war. Gribaudos Werk, bekannt für die Verschmelzung von figurativen, textuellen und topografischen Elementen, wurde durch seine Expertise in Typografie, industrieller Druckerei und Verlagswesen geprägt. Er leitete das Verlagshaus Edizione d’Arte Fratelli Pozzo und spielte eine entscheidende Rolle in der Serie Le Grandi Monografie von Fabbri Editori, wobei er Monografien von Künstlern wie Karel Appel, Francis Bacon, Alberto Burri, Giorgio de Chirico, Marcel Duchamp, Man Ray, Joan Miró, Henry Moore, Antoni Tàpies unter anderen produzierte. In Zusammenarbeit mit Michel Tapié trug er 1960 zum ICAR (International Center of Aesthetic Research) bei. Gribaudo war auch an kuratorischen Projekten beteiligt, wie der Ausstellung der Peggy Guggenheim Sammlung in der Galleria Civica d’Arte Moderna in Turin 1976 und Jean Dubuffets Ausstellung-Performance CouCou Bazar in der Promotrice delle Belle Arti mit FIAT 1978.

Die künstlerische Laufbahn von Ezio Gribaudo ist durch eine reichhaltige Ausstellungsgeschichte gekennzeichnet. Seit den späten 1950er Jahren wurden seine Werke sowohl in Italien als auch international ausgestellt und sind bis heute zu sehen. Eine kleine Auswahl seiner Einzelausstellungen umfasst: Galleria d’Arte La Bussola, Turin (1959); Galleria Schwarz, Mailand (1967/1972); Galleria la Bertesca, Genua (1967); Galleria Viotti, Turin (1968); Galerie de France, Paris (1968); Kunstverein Göttingen (1971); Petit Palais, Musée d’Art Moderne, Genf (1971); Museum of Modern Art, Rio de Janeiro (1973); Marlborough Graphics Gallery, London (1974); Galleria Michaud, Florenz (1975); Etablissement d’en face, Brüssel (2019); und Galerie Sans Titre, Paris (2022). Darüber hinaus nahm Gribaudo an bedeutenden Ausstellungen teil, wie der 9. Römischen Quadriennale (1965); der 33. Venedig Biennale (1966); Salon de Mai, Paris (1967); Salon de Mayo, Havanna (1967); der 9. Kunstbiennale São Paulo (1967); Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven (1967); GAM (Galleria Civica d’Arte Moderna), Turin (1967); Salon de Mai, Paris (1968); Museum of Modern Art, Caracas (1968); Die Nationalgalerie, Prag (1969); der 8. Internationalen Ausstellung für Grafik, Ljubljana (1969); der 10. Römischen Quadriennale (1973); Fundação Calouste Gulbenkian, Lissabon (1979); Internationale Ausstellung für Grafik, Bilbao (1982); Grand Palais, Paris (1982); Castello di Rivoli, Rivoli (1986); der Italienische Pavillon auf der 54. Venedig Biennale (2011); Sandretto Re Rebaudengo Foundation, Turin (2015); Peggy Guggenheim Sammlung, Venedig (2016); Museo del Novecento, Mailand (2017); GAM (Galleria Civica d’Arte Moderna), Turin (2017); Pio Pico Gallery, Los Angeles (2020); und MACRO Museum für Zeitgenössische Kunst, Rom (2021).

DAVIDE STUCCHI (geb. 1988, Italien) lebt und arbeitet in Mailand. Er arbeitet an der Schnittstelle von bildender Kunst, Mode, Werbung, Szenografie und Häuslichkeit und erforscht vorbestehende Materialien durch minimale Gesten und Eingriffe. Mit einem konzeptuellen und poetischen Ansatz schafft Stucchi Installationen und Skulpturen, die abwesende Körper und intime Geschichten durch die Greifbarkeit und Verletzlichkeit der Objekte offenbaren. Zu seinen jüngsten Einzelausstellungen gehören Clin d’oeil, mit Luisa Gardini, Ermes Ermes, Rom (2022); Falli(Phalli), Martina Simeti, Mailand (2021); DS, Deborah Schamoni, München (2020); 2546/9728, Sundogs, Paris (2019); Davide Stucchi con Corrado Levi, zazà, Neapel (2019); und Light switch (Entrance), Gregor Staiger, Zürich (2019) unter anderem. Seine Arbeiten wurden in Gruppenausstellungen bei Mendes Wood DM, Paris (2023); Between Bridges, Berlin (2023); Palazzo Ducale, Genua (2023); Marsèll, Mailand (2022); Fitzpatrick Gallery, Paris (2021); MACRO Museum für Zeitgenössische Kunst, Rom (2020); der 17. Römischen Quadriennale, Palazzo Delle Esposizioni, Rom (2020); Stadtgalerie Bern (2020); Fondazione Sandretto Re Rebaudengo, Turin (2018); Kunstverein Düsseldorf (2017); der 16. Römischen Quadriennale, Palazzo Delle Esposizioni, Rom (2016) unter anderen gezeigt. Seit 2017 ist Stucchi als Bühnenbildner für verschiedene Modelabels tätig, wobei seine neueste Zusammenarbeit seit 2021 mit Magliano stattfindet.

The Weight of the Concrete wird in Zusammenarbeit mit dem Museion – Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Bozen, Italien, realisiert, wo es von 23. März bis 1. September 2024 zu sehen sein wird, sowie mit dem Archivio Gribaudo in Turin, Italien.

Das Projekt wird von der Direzione Generale Creatività Contemporanea des italienischen Kulturministeriums im Rahmen des Italian Council-Programms (12. Ausgabe, 2023) unterstützt, das darauf abzielt, zeitgenössische italienische Kunst weltweit zu fördern.

Ezio Gribaudo, Logogrifo, 1967. Relief auf Löschpapier. Foto: Francesco Aschieri. Mit freundlicher Genehmigung des Archivio Gribaudo, Turin.
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, Logogrifo, 1970. Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Ezio Gribaudo, The Weight of the Concrete, in einer Szenografie von Davide Stucchi im Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com

In Until Due Time, Everything Is Else erforscht Pan Daijing auf stimmungsvolle Weise die Themen Zeitlichkeit, Erinnerung und Präsenz. Durch ein Zusammenspiel von Video, Performancespuren, ortsspezifischen Interventionen und Sound erforscht die Ausstellung die unbeständigen und flüchtigen Dimensionen, die ihr Verständnis von Performance prägen — eine Wahrnehmung, die mit der Existenz selbst vergleichbar sein könnte.

Pan Daijings Arbeit gedeiht in der Regel im Bereich des Lebendigen und manifestiert sich in dauerhaften performativen Situationen, bewohnten Installationen, Konzerten und anderen intimen Begegnungen mit dem Publikum. Until Due Time, Everything Is Else setzt einen Kontrapunkt: alle Elemente der Lebendigkeit werden entfernt. Statt die Dynamik von Körpern im Raum oder den pulsierenden Puls von Live-Sound zu erleben, begegnen die Besucher*innen nur dem Echo solcher Ereignisse. Die ausgestellten Werke umhüllen, deuten an oder machen sich die Gegenwart zunutze und sind von der Vitalität dessen durchdrungen, was einmal war oder was kommen wird.

Until Due Time, Everything Is Else versammelt Werke von zweideutiger Natur, da sie die Anwesenheit von etwas anderem markieren, etwas, das nicht hier und nicht jetzt ist. Sie stehen für Materialien, die in Momenten der Erwartung hergestellt wurden, als Überbleibsel eben jener lebendigen Erfahrungen oder als Träger der prozessualen und intuitiven Verschiebungen, die beim Wechsel von einem Medium zum anderen stattfinden.

Über die Register der Performance-Dokumentation hinaus sind diese Werke Gehäuse, die von transformativen Momenten geprägt sind und so den Wandel verkörpern oder vorhersagen. Damit trotzt die Ausstellung direkt dem Paradoxon der Spur, das besagt, dass man beim Versuch, ein Ereignis festzuhalten oder zu bewahren, ungewollt seinen Ursprung verändert oder verzerrt. Daijings Werke sind eine Meditation über dieses Paradoxon und betonen, dass Spuren, sei es in der Erinnerung, in der Kunst oder im Leben, sowohl offenbaren als auch verbergen, dass sie sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft festhalten und sich gleichzeitig einem vollständigen Verständnis entziehen.

Until Due Time, Everything Is Else wird durch eine gleichnamige Publikation ergänzt, die die ausgestellte Mehrkanal-Videoinstallation von Pan Daijing auf Papier überträgt. Sie wird von Tom Engels herausgegeben und von Julie Peeters gestaltet.

Until Due Time, Everything Is Else ist die erste institutionelle Ausstellung von Pan Daijing in Österreich und wird von Tom Engels kuratiert.

Pan Daijing (geb. 1991, Guiyang, lebt in Berlin) hat ihre Arbeiten international unter anderem auf der 14. Gwangju Biennale (2023), im Louvre, Paris (2023), bei Tai Kwun Contemporary, Hongkong (2021), auf der 13. Shanghai Biennale (2021), im Martin Gropius Bau, Berlin (2020), in der Tate Modern, London (2019) und auf der Biennale of Moving Image, Genf (2018) gezeigt. Im Jahr 2024 wird Pan Daijing eine Einzelausstellung im Haus der Kunst in München präsentieren und als Preisträgerin des Preises der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof in Berlin ausstellen. Sie ist an zahlreichen Veranstaltungsorten und Festivals aufgetreten, darunter das Barbican Centre in London, das Kraftwerk in Berlin, die Elbphilharmonie in Hamburg, das Berghain in Berlin, das Sonar Festival in Barcelona, das Haus der Kulturen der Welt in Berlin und das Nationale Pantheon in Lissabon. Sie hat drei Alben in voller Länge veröffentlicht: Tissues (2022), Jade (2021) und Lack (2017).

Die Ausstellung wird vom ifa-Institut für Auslandsbeziehungen unterstützt und ist eine Kooperation im Rahmen von steirischer herbst ’23.

Pan Daijing, untitled (Standbild), 2023. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin.
Installationsansicht von Pan Daijing, Metal, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Metal, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Footnote und Dry Score, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Footnote, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Dry Score, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Dry Score und Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Footnote, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Dry Score undGrief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Dry Score, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Pan Daijing, Grief Lessons, 2023, im Rahmen von Until Due Time, Everything Is Else, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com

Wenn Grün elementar, irdisch, grundlegend erdverbunden ist—die scharfe Klinge der Palme, der weiche Chor des Grases, die Überfülle—, dann ist es auch durch und durch modern. Greenscreen, Chroma Key, grün wie ein Geist. Neon, Plakatwand, blutendes Licht. Welches Grün hat sie gesehen?

Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (2023) ist ein neu in Auftrag gegebener Videoessay und eine Installation des bosnisch-niederländischen Künstlers Miloš Trakilović, der Sichtbarkeit und Freiheit im digitalen Zeitalter durch die Brille seiner Familiengeschichte erforscht. Das Werk basiert auf dem Bericht seiner Mutter Milijana Mendeš, die die Gräueltaten des Bosnienkriegs überlebte und 1995 mit ihren beiden Kindern in die Niederlande floh. Im Jahr 2018 führte Trakilović ein ausführliches Interview mit ihr über ihre Erfahrungen aus dem Bosnienkrieg. In diesem Gespräch erinnert sie sich lebhaft an einige ihrer ersten Momente außerhalb des Kriegsgebiets: “Als ich als Flüchtling in den Niederlanden ankam, saß ich als Erstes stundenlang in einem Park. Ich konnte nicht aufhören, das Gras anzustarren. Es war so üppig und grün. Ich habe schon oft in meinem Leben Gras gesehen, aber noch nie so hell. Ich weiß noch, wie ich da saß und dachte: Dieses Gras hier ist so grün, es ist frei, und in diesem Moment fühlte ich mich auch frei. Ich fühlte mich von meiner Vergangenheit befreit.”

Achtundzwanzig Jahre nach ihrer Ankunft verkörpert Colorless Green Freedoms Sleep Furiously Trakilovićs spekulatives Bestreben, seine Mutter noch einmal denselben Grünton sehen zu lassen. Trakilović verschränkt ihre tief empfundene Dreiecksbeziehung zwischen Grün, Gras und Freiheit mit der verschlüsselten und simulativen Natur digitaler Technologien, in denen Grün eine unabdingbare Rolle spielt, wie z. B. dem Greenscreen oder Chroma Key und computergenerierten Bildern. Gedreht in den Niederlanden und Bosnien und Herzegowina und zwischen simulierten und „echten“ Landschaften oszillierend, entfaltet sich Colorless Green Freedoms Sleep Furiously als eine neugierige und poetische Traumsequenz, die die hegemoniale Rolle von Vision und Wahrheit in den Erzählungen des Krieges und der visuellen Kultur im Allgemeinen in Frage stellt. Hier beschwört Trakilović die unsichtbaren, unerbittlichen, spektralen Kräfte, die die Erfahrung und Erinnerung an den Krieg und seine Folgen ausmachen.

Colorless Green Freedoms Sleep Furiously wird zusammen mit All But War Is Simulation (2020) präsentiert, einer Zweikanal-Videoinstallation, die sich mit Darstellungen von Gewalt und der Visualisierung und Mediatisierung von Kriegsführung im Zeitalter der digitalen Expansion beschäftigt. Sie verbindet historische Aufzeichnungen mit Spekulationen und Theorien und geht von einem Artefakt aus dem Bosnienkrieg aus: dem Post-It-Zettel eines zukünftigen Flüchtlings, auf dem eine Liste von Gegenständen aufgeführt ist, die vor der Vertreibung der Familie mitgenommen werden sollen. Alle Gegenstände haben in irgendeiner Weise mit der Bewahrung der Erinnerung zu tun— sie verdeutlichen sowohl die Sehnsucht nach einer idealen Vergangenheit als auch die Begrenztheit auf die alltäglichen Erfahrungen des Krieges, in dem das Überleben zur Routine wird und das eigene Leben auf ein paar einfache Gegenstände reduziert wird. Die gelbe Notiz ist weder ein Bild noch ein Gedicht, sondern spricht die vielfältigen Dimensionen des Verlusts an, die mit der Erfahrung von Krieg und Vertreibung verbunden sind.

Colorless Green Freedoms Sleep Furiously wird von einer gleichnamigen Publikation mit Beiträgen von Edwin Nasr, Jelena Petrović und Miloš Trakilović begleitet. Sie wird von Tom Engels herausgegeben und von Julie Peeters gestaltet.

The Work We Share, ein Filmprogramm mit zehn neu digitalisierten Filmen aus der Cinenova-Sammlung, wird in Verbindung mit der Ausstellung im Laufe von zehn Wochen gezeigt. Das Programm umfasst Filme von S. Pearl Sharp, Pratibha Parmar, L. Franklin Gilliam, Laleen Jayamanne, Noski Deville, Jacqui Duckworth, Sheffield Film Co-op, Sistren Theatre Collective, Adriana Monti, sowie Esther Ronay, Mary Kelly, Mary Capps, Humphrey Trevelyan, Margaret Dickinson, Brigid Segrave und Susan Shapiro. Die zwischen 1972 und 1994 produzierten Filme befassen sich mit oppositionellen Geschichten und Fragen der Differenz durch die Brille von Geschlecht, Rasse, Sexualität, Gesundheit und Gemeinschaft.

Miloš Trakilović (geb. 1989, SFR Jugoslawien, jetzt Bosnien und Herzegowina) ist ein in Amsterdam und Berlin lebender Künstler. Zu seinen jüngsten Ausstellungen gehören All But War Is Simulation, Kunstfort bij Vijfhuizen (2021), und Callie’s in Zusammenarbeit mit FRAGILE, Berlin (2020); Things we sense about each other, Badischer Kunstverein, Karlsruhe (2021); ISKRA DELTA: MGLC 34th Ljubljana Biennale of Graphic Arts (2021); Perception of Contemporaneity, Danube Dialogues, Novi Sad (2019); Farocki Now: A Temporary Academy, Harun Farocki Institut, Berlin (2017); und The Clouds is Where We Want To Be, Künstlerhaus Bethanien, Berlin (2017), und andere. MISSION ACCOMPLISHED: BELANCIEGE (2019), eine Videoinstallation, die in Zusammenarbeit mit Hito Steyerl und Giorgi Gago Gagoshidze entwickelt wurde, wurde in der Trafó Galerie, Budapest (2023) und im MMCA (National Museum of Modern and Contemporary Art), Seoul (2022), auf der MUNCH Triennale, Oslo (2022), im Stedelijk Museum, Amsterdam (2022), Centre Pompidou, Paris (2021), K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (2020), Kunsthalle Wien, Wien (2020), und Neuer Berliner Kunstverein, Berlin (2019) gezeigt. Colorless Green Freedoms Sleep Furiously ist seine erste institutionelle Einzelpräsentation in Österreich.

Colorless Green Freedoms Sleep Furiously ist eine Auftragsarbeit des Grazer Kunstvereins und wurde mit großzügiger Unterstützung des Mondriaan Fund, der Dommering Foundation und der Rijksakademie van Beeldende Kunsten realisiert. Die Ausstellung wird unterstützt von ifa – Institut für Auslandsbeziehungen und Stichting Stokroos.

Miloš Trakilović, Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (Standbild). Einkanaliges Video, Ton, 2023. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.
Installationsansicht von Miloš Trakilović, Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (2023), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (2023), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (2023), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (2023), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (2023), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, Colorless Green Freedoms Sleep Furiously (2023), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, All But War Is Simulation (2020), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, All But War Is Simulation (2020), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Miloš Trakilović, All But War Is Simulation (2020), im Rahmen von Colorless Green Freedoms Sleep Furiously, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Franklin Gilliam, Now Pretend (1991), im Rahmen von The Work We Share, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Noski Deville, Loss of Heat (1994), im Rahmen von The Work We Share, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Noski Deville, Loss of Heat (1994), im Rahmen von The Work We Share, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com
Installationsansicht von Noski Deville, Loss of Heat (1994), im Rahmen von The Work We Share, Grazer Kunstverein, 2023. Foto: kunst-dokumentation.com

sekretas (litauisch für Geheimnis) ist eine Ausstellung von Marija Olšauskaitė, die sich mit ihrer langjährigen Affinität zum Glanz von Glas beschäftigt. Sie konzentriert sich auf eine besondere Facette ihrer Arbeit, die auf die Art und Weise aufmerksam macht, wie sich die bildhauerische Praxis und das Soziale ineinander verschränken.

sekretas vereint schwebende Oberflächen zum Durchschauen, ruhende Gefäße zum Halten, farbenfrohe Bänke zum Tragen, einen gläsernen Teich, mundgeblasenes Geschirr, Reproduktionen von Blumen, soweit es die Logik des Glases zulässt, in Notizbüchern notierte Worte, in Usbekistan gepflückte Pflanzen und die Gesellschaft von Freund*innen und Vertrauten, die es zu erhalten gilt.

sekretas hat seinen Namen von einer städtischen Freizeitbeschäftigung, die von Jugendlichen in Litauen und vielen anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion praktiziert wurde. Die Kinder begaben sich voller Freude in einen Innenhof und legten kleine Gegenstände unter eine Scheibe oder eine gefundene Glasscherbe: Blumenblätter, goldene Flaschendeckel, Muscheln, schönen Plunder und andere eigenwillige Elemente, die zu stofflichen Ausdrucksformen der Freundschaft geordnet und zusammengesetzt wurden. Das Glas wird dann mit Erde oder Staub bedeckt, so wie ein sekretas aus dem Blickfeld verschwindet. Ein glücklicher Passant oder ein aufmerksamer Freund könnte dann diese Geheimnisse finden, diese winzigen Kompositionen aus alltäglichen, scheinbar unsinnigen Elementen, die für diejenigen, die sie kennen, die größte Bedeutung haben.

sekretas blickt auf die Verbindungsstelle, in der sich Skulptur, Komposition und das Knüpfen sozialer Bande gegenseitig befruchten. Hier nimmt das Glas eine besondere Rolle ein. Es umrahmt und schützt Komposition und Freundschaft, sowohl konkret als auch symbolisch, während es gleichzeitig ihre Fragilität und ihre mögliche Zersplitterung vorwegnimmt.

sekretas präsentiert Werke, die von einer skurrilen und glatten Haltung gegenüber der Festigkeit der Skulptur durchdrungen sind. Sie schwanken zwischen den Traditionen des Handwerks und des Ornaments, der sozialen Rolle der Skulptur und der Art und Weise, wie Objekte das tägliche Leben und die Bräuche befüllen. Gleichzeitig finden sich in Olšauskaitės Werken auch die Eigenheiten einer kryptischen Abstraktion und einer rätselhaften Komposition. In ihrem Werk klingt die Tradition der Buntglasherstellung durch, die im Nachkriegs-Litauen blühte und damals häufig in öffentlichen Skulpturen und staatlichen Aufträgen zu sehen war. Die in diesen Glaswerkstätten verbliebenen Kunsthandwerker, die Olšauskaitė immer wieder besucht, verkörpern und vermitteln diese Kunstfertigkeit, die sie ihrerseits umwandelt und umformt.

sekretas wird durch das Auftauchen und Verschwinden von Werken von Künstlerkolleg*innen, Freund*innen und Gästen unterbrochen. Unangekündigt werden diese während der Ausstellung in Erscheinung treten.

sekretas wird von einem umfangreichen öffentlichen Programm begleitet, das sich während des gesamten Eröffnungswochenendes entfaltet. Zwischen akustischen Beiträgen, einer Lecture Performance, Publikationen und essbaren Angeboten wird sekretas von Lauren Duffus, Antanas Lučiūnas / Ragemore, digestivo (Lucía Bayón und Lukas Meßner), Raimundas Malašauskas, BILL (Julie Peeters) und Han-Gyeol Lie aktiviert.

sekretas wird auch von secrets begleitet, einer Publikation, die Worte, Pflanzen und Glasbeiträge von Elena Narbutaitė, Marija Olšauskaitė, Maria Tsoy, Aleksandra Krivulina und Tom Engels versammelt und von Julie Peeters gestaltet wird.

Marija Olšauskaitė (geb. 1989, Litauen) lebt und arbeitet in Vilnius. Zu ihren Einzelausstellungen gehören Song Sing Soil (mit Eglė Budvytytė), Vleeshal, Middelburg (2023); I Want to Stuff My Heart with Moss, Editorial, Vilnius (2022); Witness on our behalf, Contemporary Art Centre, Vilnius (2019) und Marija & Petras Olšauskai: Miss Bird, Art in General, New York City (2014), um nur einige zu nennen. Olšauskaitė nahm an internationalen Gruppenausstellungen teil, darunter The Milk of Dreams, 59th International Art Exhibition of La Biennale di Venezia (2022); and suddenly it all blossoms, RIBOCA2, Riga International Biennial of Contemporary Art (2020); Homegrown, Hauser & Wirth, online (2020); I walk the night, PM8/Francisco Salas, Vigo (2019); Joy and Mirror. Port city, Fourtoseven gallery, Riga (2016); und Karaoke Police, Kunstverein, Amsterdam (2015), Nomas, Rom (2014), Contemporary Art Centre, Vilnius (2013), unter anderem.

sekretas wird mit Unterstützung der Botschaft der Republik Litauen in der Republik Österreich und dem Honorarkonsulat von Litauen in Graz realisiert.

Marija Olšauskaitė, sekretas, 2023. Photo: Marija Olšauskaitė. Courtesy of the artist.
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Installation view of Marija Olšauskaitė, Little ears, 2014. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Marija Olšauskaitė, Little ears, 2014. Glass, waterjet cut. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo:
kunst-dokumentation.com
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Installation view of Marija Olšauskaitė, Little ears, 2014. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo:
kunst-dokumentation.com
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Installation view of Marija Olšauskaitė, Ponds, 2023, and Martynas
Kazimierėnas, Blow, 2021. Courtesy of the artists and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com

“Alles begann mit einer schwingenden Glocke,” sagte sie. “Ich möchte, dass die Glocke kracht.”

Wenn eine Glocke angeschlagen wird, werden Signal und Zeit gesetzt. Für die Bürger, um das Leben in der Altstadt zu feiern, für sie, um sich zu verstecken oder etwas zu verehren, um Arbeiter zu entlassen und neu anzufangen, um daran erinnert zu werden, dass das Leben endlich ist, für den Beginn des Ausverkaufs, für die Fotografin, um ihr belichtetes Papier zu spülen, während ein Sicherheitslicht blinkt. Jedes Mal, wenn eine Glocke angeschlagen wird, läutet sie im Inneren. In dieser gegenseitigen Verflechtung von Zeit und Bevölkerung erklingt RHYTHM, CITIZEN.

RHYTHM, CITIZEN vereint die Markennamen von zwei Uhrenherstellern: Rhythm und Citizen. Gefunden und zusammengeführt, stecken sie den Rahmen ab für eine Ausstellung, die enträtselt und verkompliziert, wie die Zeitmaße sich bewegen und bewegen lassen; wie sie Artefakten, ihren Fiktionen und ihrer Patina einen Impuls geben; wie ihre Flüchtigkeit die Entstehung eines Bildes quält.

RHYTHM, CITIZEN durchdringt den Grazer Kunstverein mit Skulptur, Fotografie, Design und situativen Interventionen. Es markiert den Moment, in dem die Zeit angehalten, eingefroren und verkrustet wird, um sich dann wieder in Bewegung zu setzen. Es wanderte von der Stadt Nikosia aus, wie ein Durchgang oder eine Überquerung, wie ein Fänger der Zeit – die Augen aufgerissen, dann wieder geschlossen.

RHYTHM, CITIZEN nimmt Gestalt an durch die Kadenz eines Gedichts, die Periodizität der Arbeit, das Gleiten von Glastüren, die Frequenzen des Lebens, die musikalischen Muster und die Abfolge von starken und schwachen Elementen.

RHYTHM, CITIZEN versammelt Freund*innen und Mitwirkende, Nachbar*innen und Vermittler*innen: Felix Taylor (Platten Haus), Koula Savvidou, Tasos Lamnisos (x.ypno), Stelios Ilchuk, Claudia Paschalides, Kyriakos Kyriakides, Marietta Mavrokordatou und Photo Net.

RHYTHM, CITIZEN bietet die Gelegenheit, das Album EXHAUST [ΕΞΩΣΤ] von x.ypno & steliosilchuk laut und lebendig zu hören und die Publikation Borrowed von Maria Toumazou, Aristotelis Nikolas Mochloulis, Georgia Triantafyllidou, Maya Tounta, Koula Savvidou und Evagoras Vanezis vorzustellen.

RHYTHM, CITIZEN wird begleitet von R,C, einer Publikation, die Künstlerstatement, Fotografie und zypriotischen Rap kombiniert, mit Beiträgen von Koula Savvidou, Tasos Lamnisos (x.ypno), Stelios Ilchuk, Maria Toumazou, Julie Peeters und Tom Engels.

Eine Glocke wird in ihr angeschlagen und läutet immer weiter.
Eine Glocke wird angeschlagen und läutet immer weiter.

Maria Toumazou (geb. 1989, Zypern) ist Künstlerin und Verlegerin und lebt in Nikosia, Zypern. Zu ihren jüngsten Einzelausstellungen gehören SCRAP B, Point Centre for Contemporary Art at Moufflon Bookshop, Nikosia (2022), Coil, Hot Wheels Athens, Athen (2021) und Fair-face Elysée, Thkio Ppalies, Nikosia (2019), u.a. Toumazou hat an Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter SISTERHOOD, Streaming voices unifying energies, Angelo Plessas und P.E.T. Projects, Nikosia (2021); Touch Release, Nassauischer Kunstverein Wiesbaden (2021); Hypersurfacing, NiMAC, Nikosia (2019); Soft stone documents, Municipal Arts Centre, Limassol (2017), u.a. Neoterismoi Toumazou (Toumazous ehemaliges Kollektiv mit Orestis Lazouras und Marina Xenofontos) wurde als besonderer Gast in den von Jan Verwoert kuratierten zypriotischen Pavillon, Biennale Arte 2017, Venedig, eingeladen. Toumazou ist (Mit-)Gründerin von Neoterismoi Toumazou, Maria Editions und Metafora. Sie war Gaststudentin an der Städelschule in Frankfurt, nachdem sie ihr Studium am Goldsmiths College in London und an der Glasgow School of Art abgeschlossen hatte. RHYTHM, CITIZEN ist ihre erste institutionelle Einzelpräsentation.  

Die Ausstellung wird mit großzügiger Unterstützung des stellvertretenden zypriotischen Ministeriums für Kultur – Kulturelle Dienstleistungen, Point Centre for Contemporary Art, und von steirischer herbst ’22 realisiert. Maria Toumazous Residency im Grazer Kunstverein wird durch die Unterstützung des stellvertretenden zypriotischen Ministeriums für Kultur – Kulturelle Dienstleistungen (im Rahmen des TRANSIT 2022 Artist Residency Programs) ermöglicht.

Die Ausstellung wäre ohne die Unterstützung von Hot Wheels Athen, Mariel Kouveli, Claudia Paschalides und Orestis Lazouras nicht möglich gewesen.

Maria Toumazou, Sammlung der Künstlerin, 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin.
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Installationsansicht von Maria Toumazou & Photo Net, Developing, 2022. Geliehene Balgpumpen (Ersatzteile für Noritsu Minilab), Verkabelung, Edelstahlsockel. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou & Photo Net, Developing, 2022, und Maria Toumazou, „Entrance to offices“, 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Maria Toumazou, “Entrance to offices”, 2022. Gefundene und modifizierte Glastür, Schiebetürmechanismus, Bewegungssensor, Verkabelung, Schmutz. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, Graduals, 2022, Felix Taylor, Banister bed prototype, 2022, Maria Toumazou, Found tongues, 2022, und Koula Savvidou, Borrowed time, 2008-9. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, Graduals, 2022, und Found tongues series, 2022, und Felix Taylor, Banister bed prototype, 2022 als Teil von RHYTHM, CITIZEN, Grazer Kunstverein, 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Maria Toumazou, Found tongues (city keys), 2022. Vernickelte Bronze. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Maria Toumazou, Found tongues (body), 2022. Vernickelte Bronze. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Felix Taylor, Banister bed prototype, 2022, und Claudia Paschalides, Mahmoud/Istanbul, Februar-August 2022, 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, Graduals, 2022, und Found tongues (city keys), 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, „Caution“, 2022, und Koula Savvidou, Borrowed time, 2008-9. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, „Caution“, 2022, und Door (beat), 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, „Caution“, 2022, Door (beat), 2022, und Koula Savvidou, Borrowed time, 2008-9. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, „Caution“, 2022, Door (beat), 2022, Untitled, 2022, RHYTHM series, 2022, CITIZEN series, 2022, und Koula Savvidou, Borrowed time, 2008-9. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, Untitled, 2022, und RHYTHM (Flowers on white), 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Detail von Maria Toumazou, Untitled, 2022. Gewebe (Tecno 401 bronzo), Lüfterteile, Motor, Verkabelung. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Installationsansicht von Maria Toumazou, CITIZEN Serie, 2022, und RHYTHM Serie, 2022. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Maria Toumazou, RHYTHM (Linear), RHYTHM (Bell pendulum), RHYTHM (Roman), und RHYTHM (Flowers on white), 2022. Vernickelte Bronze. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com
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Maria Toumazou, CITIZEN (Blue), CITIZEN (Circle on circle), RHYTHM (Oval), RHYTHM (Clear), und RHYTHM (One piece), 2022. Vernickelte Bronze. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und des Grazer Kunstvereins. Foto: kunst-dokumentation.com

Aufmerksam auf die Art und Weise, wie Objekt, Geste und Affekt miteinander verwoben sind, schwankt appendage zwischen den Überresten einer zerbrochenen Existenz und dem ungezügelten Wunsch und Vergnügen, Dinge wieder zusammenzuhalten. Durch die Nutzung von vor Ort verankerten sowie verlagerten Materialien entfaltet sich appendage als eine Reihe von materiellen und situativen Vorrichtungen, die wiederum mit der architektonischen und sozialen Infrastruktur des Grazer Kunstvereins ver- oder eingebunden sind.

Türen, Türrahmen, Griffe, manuelle Mechanismen, Anschlüsse für den Außenbereich, Türspione, Sturmhaken, Scharniere, Stopper, doppelseitiges 3M-Klebeband, selbstklebend, Kit zur Entfernung von Fenstertönungen, PVC-Dämpfer und Schrauben, Löcher, Originalsäule, moderne Kopie der Originalsäule, Trennwände, verzinkter Stahl, Gipskartonplatten, weiße Farbe, schwarzes Olympia Schnurtelefon, Wandtext, Wandbefestigungssystem, Wandabsorber, Telefonspeicher, Klingelton, Telefonhörer, große Tasten, Funklochzonen, Audio-Assist-Funktion, Fernzugriff, Kabel, Splitter, verpasste Anrufe, Anrufliste, Mitgliedsbeitrag, Mitgliedsvorteile, Sendungen, offener Brief, Vereinbarungsvorlage, Computerboden, Kalziumsulfat, hochfestes Polypropylen, Vinyl, Linoleum, Laminat, Gummi, abgesenkte und umgedrehte Paneele, entfernter Teppich, Sockel, Kopf, Sockelgruppe, Stringer, frühere Institutionsidentität, Briefpapier, Stoßfänger, Nippelschutz, Zuckerersatz, Stretchfolie, Küchenmaschine, Standardmesser, Trinkwasserbrunnen, Fittings, Ringe, Edelstahlrohre, Winkelstücke, Reduzierstücke, T-Stücke, Kreuzstücke, Kupplungen, Verschraubungen, Adapter, Ösen, Armaturen, Flansche, Ventile, Abflüsse, Reibebegriff, Steckdosen, Verteilertafeln, Geräteträger, Humanscale NeatLink Kabelmanagement, Defender Mini, Gummikanal, Defender Kabelbrücke kompakt, Leitungsverkabelung, heutiger Standard, Anschlussdose, 30 Meter Telefonverlängerungskabel, 300 Badeanzugsets, 300 Shirts, Motoren, kühlende Wasserpumpe, Druckerhöhungspumpe, Umwandler, Kabel, Ladegerät, Netzwerk, Alarm, Sicherheitsschlüsselbox, Passwort, Extender Pro, Repeater Pro, Kabelverzweiger, Waveshare-Bildschirme, Schwarzglas, Kartons, Bio-Eier, Sicherheitsleuchten, Leihleuchten, Ausstellungsleuchten, 3 Gestelle, 6 Quadrate, Leuchtstoffröhren, Elektroden, parallelgeschaltete Steckdosen, Kreuzverschraubung, Thermopapier, Addiermaschinen, Beschichtung, Zero-Ink-System, Wärme, Sonne, Reibung, Armfetisch, Handfetisch, Transporter, CB0209PH, Bücher über Ereignisse je nach Geburtsdatum, alte Astrologiebücher, Vorworte, Drähte, aus dem Verkehr gezogene Metallzäune und -käfige, gebürsteter Nickel 6er-Pack Edelstahl, Goldfäden, Innentüren, Separatoren, Handauflagen, Windbreaker, Weingläser, magnetische Unterhosen, Glückspillen, unpfändbares Eigentum, türkise Sonnenbrille, Außenemulsion, Kübel, Eismaschinen-Leihgabe, Sauerstoffkonzentrator, PVC-Gürtel, Plastikfolie, zwei identische Melaminboxen mit Schlössern, Weihnachtsbäume, die letzten 230 Objekte aus einem Geschäft (verkauft), Diverses für Vögel, einige große schwarze Ledersofas, Wir Frauen die komplette Serie, freier Eintritt,… häufen sich an und trennen sich ab.

appendage entsteht in der strukturellen Zergliederung der Institution als öffentlicher Körper. Zugang, Daten, Telefongespräche, Wasserversorgung, Temperatur, Elektrizität, Architektur, Geografie, Rechtsverbindlichkeit, Mitgliedschaft und Unterstützungsstrukturen werden durch ihre Umverteilung, Umleitung oder Unterbrechung neu bewertet. In einem solchen Fall von struktureller Störung hebt appendage institutionelle Funktionen aus ihren normativen Verhaltensweisen heraus und füllt sie mit flüchtigen Zugehörigkeiten und Wahlverwandtschaften wieder auf.

appendage legt offen, wie Objekte und ihre Funktionen weiterhin untrennbar von persönlichen und kollektiven Bindungen dahintreiben, und verkörpert die Verflechtung zwischen Infrastruktur und affektiven Ökonomien. appendage legt die Transaktionsbedingungen offen, die die kollektiven Dimensionen der Intimität konstituieren, und entzündet sie.

appendage wird begleitet von prefaces to appendage, einer Publikation mit Beiträgen von Arnisa Zeqo, Iris Touliatou, Julie Peeters, Lisa Holzer, Tom Engels und Quinn Latimer.

appendage wird ein Soundprogramm mit Beiträgen von Künstler*innen wie Eduardo Costa, Eleni Poulou, Hannah Weiner u. a. ausrichten.

Am 24. Juni eröffnen neben dem Grazer Kunstverein auch HALLE FÜR KUNST Steiermark (18:00) und <rotor> (20:00) ihre Ausstellungen. Die Eröffnungsrede im Grazer Kunstverein findet um 19:00 statt. Im Anschluss an die Eröffnungen gibt es DJ-Set und Drinks in der Kombüse. Es wird außerdem wieder einen Shuttlebus aus Wien geben:
15:00 Abfahrt Opernringhof Wien nach Graz
22:30 Abfahrt Burgring 2 nach Wien
Voranmeldung unter: lw@​halle-​fuer-​kunst.​at

Iris Touliatou (geb. 1981, Athen) lebt und arbeitet in Athen. Zu ihren jüngsten Einzelausstellungen zählen Organs, EXILE, Wien (2020); und Overnight, Radio Athènes, Athen (2019). Touliatou hat unter anderem an folgenden Gruppenausstellungen teilgenommen: 2021 Triennial: Soft Water Hard Stone, New Museum, New York (2021-22); Work and Leisure, Mailand (2022); When I state I am an anarchist, PLATO, Ostrava (2022); Anabasis, Rodeo Gallery, Athen (2022); Eclipse, die 7. Athen Biennale (2021); Lives of an Object, Andreas Melas und ARCH, Athen (2021); The Way In, Haus N Athen, Athen (2021); Anti Structure, DESTE Foundation, Athen (2021); Interval, Goethe-Institut Athen (2021); The Same River Twice, Benaki Museum, Athen (2019); und Manifesta 12, 5x5x5: Selected Projects, Palermo (2018). Im Jahr 2022 wird Touliatou an SIREN (some poetics) der Amant Foundation, New York, teilnehmen. appendage ist ihre erste institutionelle Ausstellung in Österreich.

Grazer Kunstverein’s distribution box, 2022. Photo: Simon Veres.
Iris Touliatou, untitled (still not over you), 2022, detail.
Ceiling light fixtures acquired from defunct offices in Athens, fluorescents, circuit, cable, outlets. Photo:
Eftychia Vlachou.
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Installation view of Iris Touliatou, frame fetish (column reduction), untitled (diversion) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, frame fetish (column reduction) and untitled (diversion), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (diversion), untitled (oral) and untitled (still not over you), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (oral), untitled (still not over you) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (oral) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (oral) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (oral) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (oral) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (adults) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (placeholder), untitled (adults) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (placeholder), untitled (adults) and untitled (sweet and low), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, happiness, 2018 to 2022, (to Laurie), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com
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Installation view of Iris Touliatou, untitled (sweet and low) and untitled (placeholder), 2022, as part of appendage, 2022, Grazer Kunstverein. Courtesy of the artist and Grazer Kunstverein. Photo: kunst-dokumentation.com

Wir sind darauf trainiert, langweilige Arbeit zu ertragen. Wörter aus hundert Buchstaben erscheinen wie Buchstabensuppe, wie Gesichter in einem Zerrspiegel, die sich in meinem Körper noch weiter verzerren. Alles um uns herum erscheint ziemlich klein, so als sähe man es durch ein Schlüsselloch. Wir saßen regungslos, außer die Teile unseres Körpers, die wir für die Produktion benötigten. Wir saßen auf diese Weise, um Menschen wieder zusammenzusetzen. Lichter flackerten über unsere Augen. Und gestützt durch unsere Einstellungen fälschten wir das Leben,” wird es von einer weiblichen Stimme in Sandra Lahires Terminals (1986) rhythmisch vorgetragen.

we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production ist eine Ausstellung, die die Arbeiten der verstorbenen britischen Experimentalfilmemacherin Sandra Lahire und der italienischen Künstlerin und Designerin Celeste Burlina zusammenführt. Aus zwei unterschiedlichen Epochen feministischer Praxis kommend, vereinen sich ihre durchdringenden Meditationen über die Porosität des Körpers, die Arbeit und Umweltprobleme in einer gemeinsamen Erzählung.

we sat rigid… zeigt sechs Filme von Lahire, von denen fünf neu digitalisiert wurden. Ihr furioser Umgang mit dem bewegten Zelluloidbild thematisiert, wie Kapital und Patriarchat die vitalen Fähigkeiten des Körpers, der Erde und letztlich des bewegten Bildes formen und erschöpfen. Ihre ersten beiden Filme, Arrows (1984) und Edge (1986), sind fest verwurzelt in ihrem beständigen Kampf mit Magersucht und der Idealisierung des weiblichen Körpers. Gemeinsam ergeben sie eine konfrontative Darstellung der kulturellen Ursachen ihres Zustands, während die Künstlerin gleichzeitig die Kontrolle über die Produktion ihrer eigenen Darstellung übernimmt. Der Film Terminals (1986) weitet diese autobiografischen Reflexionen aus und leitet einen weiteren Werkzyklus ein—Plutonium Blonde (1987), Uranium Hex (1987) und Serpent River (1989)—, der sich mit Strahlung, dem Abbau von Uran und der damit verbundenen sozialen und ökologischen Zerstörung auseinandersetzt. Vor dem Hintergrund eines drohenden Atomkriegs und dem Zerfall von Bergarbeiter-Gemeinschaften in den 1980er Jahren im Vereinigten Königreich und darüber hinaus untersucht sie diese atomare Realität auf bruchstückhafte, sensibilisierende Weise. Ungefähr 35 Jahre später gewinnt ihr Anliegen erneut an Aktualität und rückt die dringende Notwendigkeit einer politischen Anerkennung der körperlichen Verletzbarkeit erneut in den Vordergrund. 

In Anlehnung an Lahires filmische Erkundung des Bergbaus, der industriellen Produktion und der Frauenarbeit reagiert Burlina mit carrier (2022), einer architektonischen Intervention. Mit einem Bewusstsein für die Art und Weise, in der Infrastrukturen das Versammeln von Körpern und ihrer Bewegungen sowohl ermöglichen als auch behindern kann, schneidet Burlinas Unterfangen durch die drei Galerien des Kunstvereins. Was als trügerischer Vorschlag beginnt, der an eine minimalistische Skulptur erinnert, verwandelt und entwickelt sich kontinuierlich in Funktion und Bedeutung. Zwischen Funktion und Ornament oszillierend, dient carrier gleichzeitig als Trägerstruktur für Lahires Filmarbeiten und hinterfragt und perforiert den Körper des Kunstvereins als solchen. Indem sie die Funktion und Zweckmäßigkeit von rohen, technischen Materialien—H-Träger, Ketten, Stangen, Bohreinsätze und Methylmethacrylat Platten—neu verdrahtet, konterkariert Burlina, die als Bauingenieurin ausgebildet ist, ihre langjährige Beziehung zu jenen Werkstoffen, die oft mit brachialen, unterwerfenden Kräften assoziiert werden. Auch in Lahires Filmen tauchen diese Elemente wiederholt auf. Indem sie Räume und Wände durchdringen, vollführt Burlina einen dialogischen Akt und versucht, die Starrheit dieser Materialien aufzulösen, während sie gleichzeitig auf ihrem Potenzial für eine kraftvolle Transformation besteht.

Heraufbeschworen wird ein sinnlicher Dialog jenseits der Grenzen der linearen Zeit—ein Resonanzraum, der von zwei leidenschaftlich einander zugeneigten Stimmen getragen wird.

Anlässlich der Ausstellung veröffentlicht der Grazer Kunstverein we sat rigid…, die erste einer Reihe von kleinen Ausgaben mit Korrespondenzen und Gesprächen. Sie enthält Beiträge von Celeste Burlina, Tom Engels, Laura Guy, Calla Henkel, Charlotte Procter, Kerstin Schroedinger und Miriam Stoney.

Die Ausstellung wird mit Unterstützung von LUX, London, entwickelt.

Sandra Lahire (1950-2001, Vereinigtes Königreich) war eine feministische Experimentalfilmerin. Ihr künstlerisches Vermächtnis umfasst zehn experimentelle 16-mm-Filme, in denen sie die Verletzlichkeit des Körpers erforschte. Lahires Werk untersucht die Darstellung des (weiblichen) Körpers und wie dieser die Spuren des soziopolitischen und ökologischen Zusammenbruchs trägt. Lahire war in den 1980er und 1990er Jahren ein zentrales Mitglied der Londoner Experimentalfilm-Community und engagierte sich in der London Film-Makers‘ Co-op und den in London ansässigen feministischen Film- und Videovertrieben Circles und Cinenova. Ihr Essay „Lesbians in Media Education“ wurde 1987 in Visibly Female veröffentlicht. Im Jahr 1993 komponierte sie die Musik für Just About Now der britischen Künstlerin und Filmemacherin Lis Rhodes. Lahire studierte Philosophie an der Universität von Newcastle upon Tyne, Fine Art Film an der St Martins School of Art und Film & Environmental Media am Royal College of Art. Sie verstarb nach langem Kampf an Magersucht.

Celeste Burlina (geb. 1988, Italien; lebt in Berlin) arbeitet als Künstlerin, Designerin und Autorin. Ihre Ausstellungsdesigns und Szenografien artikulieren die Beziehung zwischen Menschen und Infrastruktur und konzentrieren sich auf die Dramaturgie von Aufmerksamkeit und Anwesenheit. Sie entwickelte maßgeschneiderte Installationen und räumliche Interventionen für „trust & confusion“ bei Tai Kwun Contemporary, Hongkong (2021), „30 Years of KW: Anniversary Weekend“ (2021) in den KW Institute for Contemporary Art, Berlin (2021), Creamcake’s 3hd Festival „Power Play“ im Park Center Treptow, Berlin (2021), und „im garten der blicke“ im Kunsthaus NRW Kornelimünster, Aachen (2020). Zuvor arbeitete Burlina für das Design- und Architekturstudio Sub, mit dem sie Projekte für Ausstellungen von Anne Imhof im Castello di Rivoli (Turin), der Tate Modern (London) und dem Palais de Tokyo (Paris) sowie für den Schinkel Pavillon (Berlin) und Balenciaga realisierte. Burlina ist Doktorin der Ingenieurwissenschaften.

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Exhibition view of Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Sandra Lahire, Terminals, 1986, Plutonium Blonde, 1987, and Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Sandra Lahire, Terminals, 1986, and Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Sandra Lahire, Plutonium Blonde, 1987, Uranium Hex, 1987, and Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Sandra Lahire, Arrows, 1984, and Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Sandra Lahire, Serpent River, 1989, Arrows, 1984, and Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Sandra Lahire, Serpent River, 1989, and Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com
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Exhibition view of Sandra Lahire, Arrows, 1984, and Celeste Burlina, carrier, 2022, as part of we sat rigid except for the parts of our bodies that were needed for production, 2022, Grazer Kunstverein. Photo: kunst-documentation.com